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Durchwachsene Silphie: Faser der Zukunft?

Mein Antrittsbesuch im Energiepark Hahnennest hatte ein besonderes Pflänzchen im Fokus, das man in meinem Landkreis nicht zufällig häufiger sieht als anderswo: die Durchwachsene Silphie. Da die einschlägigen Zeitungen sich weder für meinen Kandidatenbesuch noch für den Pressebericht interessierten, ist dieser hier in voller Länge wiedergegeben, für Nutzer von Instagram gibt es auch ein Video mit mir und vier der örtlichen Unternehmer. Spannender Tag, spannende Pflanze, spannende Möglichkeiten, spannende Konflikte.

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Alexandra Kipp, Leiterin Marketing, Georg Rauch, Gründungsgesellschafter, Siegfried Butz, Geschäftsführer, JFK, Ralf Brodmann, Geschäftsführer (v.l.n.r.) – Photo: Hanna Stauß

Johannes Kretschmann in Hahnennest: «Die Silphie hat ein hohes Potential»

Der grüne Bundestagskandidat für Zollernalb-Sigmaringen hat den Energiepark Hahnennest bei Ostrach besucht, um sich über die Kaskadennutzung der Durchwachsenen Silphie zu informieren und örtliche Unternehmer persönlich kennenzulernen. Er folgte damit einer Einladung von Siegfried Butz, dem Geschäftsführer der Firma.

Der Anbau von Pflanzen allein zur Energiegewinnung ist politisch nicht unumstritten und wird auch bei den Landwirten kontrovers betrachtet. Außerdem steht durch veränderte Rahmenbedingungen die Wirtschaftlichkeit infrage. Doch die aus Nordamerika stammende Silphie kann nicht nur Mais als Rohstoff für Biogasanlagen anteilig ersetzen, sondern auch Holz zur Gewinnung von Zellstoff für Papier und Verpackungen, auch anstelle von Plastik. In Deutschland wird weit mehr Zellulose benötigt, als bisher hier hergestellt wird, was weite Wege für den Transport und Import von Material problematischer Herkunft bedeutet. Die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten ist aus vielen Gründen zum Gebot der Stunde geworden, wie Kretschmann betonte. Der Energiepark Hahnennest hat mit dem Bau einer Dampfaufschlußanlage, in der die Pflanze gekocht und vor Ort in Fasern und Gärsubstrat getrennt wird, Pionierarbeit geleistet.

Das aus der Silphie gewonnene Fasermaterial kommt direkt in die Papierfabrik – Photo: Hanna Stauß

Innovationen wie diese sind oft vielgesichtig und treffen auf berechtigte wie unberechtigte Skepsis oder auch heftige Ablehnung. Geschäftsführer Butz meinte dazu: «Die Silphie steht für Veränderungen, die uns Menschen grundsätzlich auch immer problematisch erscheinen. Aber aus ihrem Anbau lassen sich viele ökonomische und ökologische Vorteile ziehen.»

Als grüner Bundestagskandidat will sich Johannes Kretschmann ein umfassendes Bild von der vielfältigen Bedeutung der Landwirtschaft machen: «Fast die Hälfte der Fläche in Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. Allein aufgrund dieser Größenordnung sind Agrarbetriebe hochrelevante Akteure beim Klima- und Artenschutz.» In diesem Zusammenhang erkennt er auch das «hohe Potential» der Durchwachsenen Silphie: «Wenn sich in der heimischen Landwirtschaft Chancen für Verbesserungen und Weiterentwicklungen bieten, muß die Politik auf Zack sein und solche Prozesse flankieren und fördern. Nicht nur für den Umweltschutz, sondern vor allem auch, um mittelständischen Betrieben eine wirtschaftliche Perspektive zu bieten oder erst wieder neu zu eröffnen.»

Zielkonflikte beim Anbau von Energiepflanzen sieht der 43-jährige Kreisrat aus Laiz pragmatisch: «Mais wird in Deutschland auf gut 2 Millionen Hektar angebaut. Silphie-Äcker sind auch nicht unbedingt ökologische Paradiese, aber sie sollen ja auch keine mageren Blühwiesen ersetzen. Durch Eigenschaften wie eine hohe Nitratbindung ist ihre Bilanz zumindest gegenüber dem Mais vorteilhaft. Außerdem schafft die starke Humusbildung der mehrjährigen Nutzpflanze CO2-Senken. Dieses Potential müssen wir unbedingt ausschöpfen, wenn wir unsere Klimaschutzziele erreichen wollen.»

Auf die Frage Kretschmanns nach der Biodiversität auf den Silphie-Feldern, die oft als Monokultur kritisiert werden, entgegnete Ralf Brodmann, selbst Landwirt und Geschäftsführer von Metzler & Brodmann Saaten GmbH: «In der Dauerkultur gedeihen auch Beikräuter ohne wirtschaftliche Nachteile für den Landwirt. Der bei der Silphie weitgehende Verzicht auf Pflanzenschutzmittel verschafft Insekten einen wichtigen Lebensraum auf diesen intensiv genutzten Flächen.» Kretschmann konnte sich davon überzeugen, daß Bienen, die aus Kästen direkt am Feld ausschwärmen, sich reichlich auf den gelben Korbblütlern tummeln und Nahrung finden.

Alexandra Kipp bestätigte als Leiterin im Bereich Marketing das positive Image der übermannshohen Pflanze: «Die Silphie kommt gut an, sie ist schon ein bißchen zu einem Selbstläufer geworden. Man sieht Bienen, Schmetterlinge, Schwebfliegen. Für landwirtschaftliche Diskussionen bietet sich die Silphie als günstige Einstiegsplattform an.»

Kretschmann wollte vom Gründungsmitgesellschafter Georg Rauch wissen, wie die Nachfolger ihre Perspektive als Land- und Energiewirte sehen: Rauch konnte feststellen: «Die Jungen sind begeistert, was etwas ganz wichtiges ist. Wir in Hahnennest versuchen, zukunftsträchtig zu sein. Mit der Silphie sehe ich den Erfolg für die nächste Generation in einem sehr guten Fahrwasser.»

Zum Abschluß der mehr als fünfstündigen Begegnung bedankte sich Kretschmann, den Hanna Stauß aus dem grünen Kreisvorstand begleitete, für den inspirierenden und intensiven Austausch. Der Bundestagskandidat sagte zu, im Falle seiner Wahl das Potential der Durchwachsenen Silphie auch auf Bundesebene stärker in Augenschein zu nehmen.

Tags: Landwirtschaft, Energiepolitik, Nachwachsende Rohstoffe, Artenschutz, Bienenweiden

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