«CDU fällt um und lehnt Prüfantrag der Grünen ab»
So titelte die Schwäbische Zeitung nach der Sitzung des Sigmaringer Kreistags zur Haushaltsverabschiedung. Da könnte man jetzt Genugtuung verspüren, aber ich freue mich über diese treffende Überschrift nicht.
Im vorberatenden Umwelt-, Kultur-, und Schulausschuß hatte ich als grüner Fraktionsvorsitzender folgenden Prüfauftrag zur Vorstellung, Beratung und Abstimmung eingebracht, später dann nochmal in der Haushaltsrede:
«Die Verwaltung des Landkreises Sigmaringen prüft eine Partnerschaft mit einer ukrainischen Gebietskörperschaft (Oblast oder Rajon) mit offiziellen oder nicht-formalisierten Varianten. Im ersten Sitzungsblock 2026 stimmt der Kreistag über die Verbindung ab.»
Dazu müßte man nicht das Rad neu erfinden: Im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums unterstützt die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt im Rahmen des Projekts «Kommunale Partnerschaften mit der Ukraine» bereits seit 2015 ein Netzwerk aus mittlerweile 250 formalisierten und nicht-formalisierten kommunalen Partnerschaften mit verschiedenen Vernetzungs-, Beratungs- und Förderangeboten. Auch Solidaritätspartnerschaften sind als singuläre Projekte wie Hilfslieferungen möglich und werden bezuschußt.

Der Prüfantrag (der also noch keine Entscheidung herbeiführt) wurde einstimmig befürwortet, auch von der Landtagskandidatin der CDU und ihrem Zweitkandidaten. Sogar Landrätin Bürkle äußerte sich wohlwollend, laut Zeitung mit den Worten: «Psychologisch ist es ganz wichtig für dieses Land, zu sehen, daß es nicht alleine ist.» Sie brachte auch noch den wichtigen Gedanken ein, daß wir diejenigen seien, die im Moment von der Ukraine lernten.
Im Kreistag dann die unvermittelte Kehrwende: Der Fraktionsvorsitzende der CDU machte in seiner Haushaltsrede klar, daß seine Fraktion dem Antrag die Zustimmung versagen wird. Er wandte sich gegen diese «grüne Symbolpolitik» und wollte «keine Plattform für einige Wenige bieten», eine «breite Basis hier im Kreis» sei «nicht erkennbar». «Wir» [also die CDU-Fraktion] «sehen darin […] keinen Effekt und erst recht keinen Nutzen.» So so. Allein drei Räte aus diesem Gremium, davon zwei aus der CDU-Fraktion, nahmen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine an Hilfstransporten teil, ich selbst reiste als Bundestagsabgeordneter allein nach Odessa, um mir ein Bild zu machen und mich auszutauschen.

Den Ukrainern fehlt es durch die Angriffe auf zivile Infrastruktur und die finanziellen Kosten für ihre mutige wie blutige Verteidigung an allem. Wenn aus unserem Kreis gebrauchte Krankenhausbetten geliefert werden, wie schon geschehen, weil die Verwundeten von der Front mehr Kapazitäten benötigen, als vorhanden sind, ist das keine heldenhafte, aber eine wirksame Unterstützung. Es ist an Zynismus kaum zu überbieten, konkrete partnerschaftliche Hilfe als Symbolpolitik abzutun und ihr den Sinn abzusprechen – bevor man verschiedene Möglichkeiten des Beistands überhaupt geprüft hat!
Suggestiv und maliziös wird dann noch die Zeitungsüberschrift nach dem einstimmigen Votum im Ausschuß herangenommen, um den Antragsteller in ein wichtigtuerisches Licht zu rücken: Kretschmann leistet Widerstand gegen Putin. Als ob das mit der Sache etwas zu tun hätte und ich irgendwie verantwortlich wäre fürs Klickzahlschinden der Medien mit bekannten Nachnamen. Wenn der Redner und Vorsitzende der Kreistagsfraktion, die fast viermal so groß ist wie die unsere, so etwas nötig hat, läßt das tief blicken.

Wir Grünen haben allen Prüf- und sonstigen Anträgen der Fraktionen zugestimmt. Uns fällt bei Ideen anderer, solange sie nicht gegen unsere Prinzipien verstoßen und Geld verbrennen, nicht die Hand ab. Die Ablehnung der CDU (bis auf Georg Bacher) und leider auch einer Mehrheit der FWV hat nicht nur den Ansatz einer wie auch immer gearteten kommunalen Partnerschaft schon im Keim erstickt, sondern sorgt für Zähneknirschen, nicht nur bei uns Grünen. Die Verwaltung wird sich ärgern, daß die wichtigste Lokalzeitung nur zu diesem einzigen Punkt etwas zu sagen hatte und die vielen gemeinschaftlichen und positiven Beschlüsse damit unter den Tisch fallen. Viele der neuen Kreisräte werden genervt sein, daß mir und unserer kleinen Fraktion überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit zuteil wird – obwohl das weder in unserer Verantwortung noch in unserem Sinne liegt. Freuen können sich die politischen Ränder, die in dieser Legislatur nicht in unserem Kreistag vertreten sind, daß die Berichterstattung dominiert wird von Polarisierung und kleinlichen Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der politischen Mitte. Es ist kein Trost, daß das überall so läuft, vom Europaparlament bis runter in die Gemeinderäte.

Aber nun, in der längsten Nacht des Jahres, will ich am Ende was Schönes sagen, nämlich Danke, an erster Stelle meiner unerschütterlichen Fraktion für die sachliche Arbeit und den emotionalen Zusammenhalt, den unvoreingenommenen Kolleginnen und Kollegen im Kreistag, den Leuten aus der Verwaltung, die nun die angenommenen Prüfaufträge bearbeiten, den Zuhörern, die sich für unsere Sitzung die Zeit nahmen, darunter etliche Mitstreiter der Sigmaringer Grünen wie unsere vortreffliche Landtagskandidatin Hanna Stauß mit unserer phantastischen Photographin Lena Kaltenbach. Die Sonne gewinnt nun wieder langsam die Oberhand, und vielleicht kündet das ja doch von froheren Tagen.







