Bis zu 80 Teilnehmer bei einer Videokonferenz, die bekommt man nicht mit saurem Bier vor den Bildschirm. Aber mit einem unserer grünen Leib- und Magenthemen im Kreis, der Reaktivierung der Ablachtalbahn. Hoffnungsvoll stimmte der hohe Zuspruch von (auch skeptischen) Interessierten aller Provenienz und Couleur, persönlich habe ich mich besonders über die virtuelle Anwesenheit etlicher Kreistagskolleginnen und -kollegen gefreut. Die Schwäbische Zeitung stellte einen Bericht zusammen aus der Pressemitteilung von Isabell Michelberger, hier wiedergegeben in voller Länge:
Ablachtalbahn bereits auf der «Schnellfahrstrecke»
Die Reaktivierung der Ablachtalbahn, die zukünftige attraktive Verbindung zwischen dem Bodensee und dem Hinterland bis Mengen, nimmt ordentlich Fahrt auf. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Andrea Bogner-Unden gehört zu den wichtigen AnheizerInnen des Bahnprojekts und lud Fachleute, Unterstützende und Kritisierende zu einem produktiven Austausch in ein Webinar ein. Die große Zahl der Teilnehmenden zeigte, dass das Thema viele interessiert. Zu den geladenen Gästen der Gesprächsrunde zählte Matthias Gastel MdB (Grüne), Heiko Focken von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg, die Bürgermeister von Meßkirch und Sauldorf, die die Strecke kauften, sowie Frank von Meißner, der Bahnexperte, der auch die Räuberbahn erfolgreich auf die Schiene brachte. Johannes F. Kretschmann, Kandidat der Grünen für die Bundestagswahl, moderierte das Webinar. Er leitete die Fragen, welche aus der Online-Runde der 80 Teilnehmenden in den Chat gestellt wurden, an die entsprechenden Fachleute weiter. Dabei entstand ein reger und informativer Austausch, der den außerordentlichen Wert der Reaktivierung der Bahnstrecke für die Region unterstrich. Zu den Themen gehörten die Fördergelder von Bund und Land, die Zusammenarbeit von Kreis, Kommunen und dem Förderverein, die Verkehrssituation an Bahnübergängen, die Bemessung des Fahrgastpotenzials, mögliche ökologische Beeinträchtigungen, die Elektrifizierung sowie die Anzahl der Güterzüge.
Als Auftakt nahm Andrea Bogner-Unden die zahlreichen Teilnehmenden des Webinars in einer Gedankenreise mit auf die Strecke der Ablachtalbahn. Sie beschrieb die reizvollen Ziele, die am Zugfenster vorbeiziehen und zu einem Halt einladen: der Blick von der Höhe der Eisenbahnbrücke bei Schwackenreute, das Erlebnis Tipihof, das Vogelschutzgebiet an den Sauldorfer Seen, das malerische Städtchen Meßkirch bis zum attraktiven Strandbad an den Zielfinger Seen. Dies versinnbildlichte das große touristische Potenzial der Strecke. Darüber hinaus unterstütze der Zugbetrieb auf der Strecke die Mobilitätswende sowie den Klimaschutz. «Wir müssen einen attraktiven Schienennahverkehr offen diskutieren», regte die Landtagsabgeordnete die Gesprächsrunde auch zu kritischen Beiträgen an, denn durch eine gute Informationspolitik steige auch die Akzeptanz unter den SkeptikerInnen.
Johannes F. Kretschmann übernahm die Moderation des Webinars und drückte seine Freude darüber aus, dass bei diesem Projekt viele gute Leute zusammenarbeiten. «Es herrschen beste Voraussetzungen, die Dinge mutig anzupacken», betonte Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher in der Bundestagsfraktion der Grünen. Die Prognosen für einen erfolgreichen Betrieb auf der Strecke seien gut, denn noch nie seien die Förderbedingungen idealer gewesen. «Und meist werden die Prognosen übertroffen», berichtete er von den Erfahrungen mit reaktivierten Bahnstrecken. Heiko Focken sieht die Entwicklung des Projekts ebenfalls positiv: «An den wichtigen Stellen sind die richtigen Leute», meinte er, weshalb die Reaktivierung der Ablachtalbahn sich bereits auf der «Schnellfahrstrecke» befinde. Drei Zugpaare (jeweils Hin- und Rückfahrt) zu einer attraktiven Tageszeit seien geplant, wobei deren Fahrplan kompatibel zum Zugverkehr der Anschlussbahnhöfe gestaltet sein muss.
An den Meßkircher Bürgermeister Arne Zwick richtete Kretschmann die Frage, weshalb die Kommunen Mengen und Krauchenwies mit ihrer Unterstützung der Reaktivierung der Ablachtalbahn zögern. Das könne an der Unübersichtlichkeit des umfangreichen Projekts liegen, mutmaßte Zwick. «Man muss sich reinarbeiten», erklärte er. Wahrscheinlich werde man erst in zehn bis 15 Jahren das wahre Plus der Strecke richtig erkennen. «Ich bin davon überzeugt, dass es dann richtig durchschlägt», unterstrich der Meßkircher Bürgermeister.
Johannes F. Kretschmann zeigte sich überzeugt davon, dass negative Haltungen auf mangelndem Wissen beruhen. «Dieser Desinformationsstrategie können wir mit Informationen begegnen», erklärte er. Es würden Befürchtungen geäußert, Bahnübergänge könnten zu Staus führen. Dem widersprachen die Fachleute, da die Zugfrequenz nicht so groß sei. Auf das prognostizierte Fahrgastaufkommen angesprochen und dessen realistische Einschätzung antwortete Frank von Meißner, dass es konkrete Bezugszahlen wie Bevölkerungszahl, Arbeitsplätze, Schulen und touristische Ort gebe. «Gutachten gehen eher von negativeren Einschätzungen aus», meinte er. Die Projekte entwickelten sich meist viel erfreulicher wie bei der Räuberbahn oder beim Seehäsle zu sehen sei.
Um die Ökologie an der Strecke nicht zu beeinträchtigen, gehe man mit viel Augenmaß bei den Vegetationsarbeiten vor. Zudem seien Bahndämme unberührte Natur und die Strecke nicht versiegelt. Auch die Emissionen der Züge seien geringer als die beim Autoverkehr. Von Meißner verwies auf den großen Fortschritt der Zugentwicklung in Richtung Umweltfreundlichkeit.
Der Landtagsabgeordnete der CDU, Klaus Burger, betonte: «Es ist klug, die Bahnstrecke zu erhalten.» Aus diesem Grund sei er dem Förderverein Ablachtalbahn beigetreten. Dieses fraktionsübergreifende Engagement für den Streckenausbau hielt Johannes F. Kretschmann für ein Erfolgsrezept.
Beim Thema Elektrifizierung bremsten alle deutlich. Dies sei Zukunftsmusik, bemerkte der Meßkircher Bürgermeister. «Wir müssen einen Schritt nach dem anderen machen», begründete er seine Ablehnung und warnte davor, das Projekt zu sehr zu überlasten. Andrea Bogner-Unden stimmte ihm zu: «Wir müssen Schritt für Schritt pragmatisch voran gehen.» Auch Frank von Meißner plädierte für den Weg der notwendigen Schritte, um stets die Kosten gut im Blick zu behalten. Im Chat ergänzte Heiko Focken: «Der erste Zug ist immer der schwerste. Überlastet ihn nicht.»
Dass es einen Güterverkehr in großem Ausmaß auf der Strecke geben werde, sehen alle Fachleute nicht. Das sei vor allem durch die Lage bedingt. Lediglich für örtliche Unternehmen könne der Gütertransport auf der Schiene attraktiv sein, wobei ein Güterzug pro Tag bereits die Wirtschaftlichkeit erhöhe, so Matthias Gastel.
Zum Abschluss dankte Johannes F. Kretschmann Andrea Bogner-Unden für ihr großes Engagement sowie allen online Anwesenden für ihr Mitdiskutieren und Interesse. Es sei erfreulich, dass ein so gemischtes Publikum bei diesem Webinar teilgenommen habe. Das Thema Ablachtalbahn politisch aufzugreifen sei wichtig, aber ebenso wichtig sei es, dieses nach draußen zu tragen. Die Landtagsabgeordnete dankte ebenfalls und versprach im Falle ihrer Wiederwahl, dieses Zukunftsprojekt weiterhin auf Landesebene mit Ideen und Begeisterung zu unterstützen.